Naypyidaw: Leere

Das Hotelzimmer ist riesig für 2 Personen und es wirkt genauso leer wie die gesamte Hotelanlage, obwohl es uns hier an nichts fehlt. Wir wollen heute diese Leere ein bisschen genauer anschauen. Ich habe gut geschlafen. Berit neben mir geht es hörbar immer noch nicht gut. Schnupfen. Heiserkeit. Husten. Gliederschmerzen. Gestern haben wir mit dem sehr sympathischen Hotelmanager, der sich um uns natürlich persönlich kümmert, ausgemacht, dass wir ihm heute wegen einer Stadtrundfahrt Bescheid sagen. Wir kommen relativ spät ins Restaurant, wo wir genauso wie gestern die einzigen Gäste sind. Wir entschieden uns, eine zusätzliche Nacht in dem schönen Hotel zu verbringen und nicht wie geplant am Abend nach Rangun weiterzufahren. Es ist auf jeden Fall eine vernünftige Entscheidung, auch wenn das Hotel nicht gerade billig ist. Ich schlage Berit vor, dass wir heute einfach einen Ruhetag einlegen können. Sie meint aber, dass sie fit genug ist, heute Nachmittag eine kleine Stadtbesichtigung zu machen. Wir bestellen also einen Fahrer für heute um 14:00 Uhr. Schließlich gibt es hier sowieso nicht soviel zu sehen und die meiste Zeit verbringen dann nur in dem Auto. Nach dem sehr leckeren Frühstück, ziehen wir uns wieder ins Zimmer zurück. Berit sagt mir, dass sie müde sei. Sie schläft tatsächlich noch ca. 2 Stunden, während ich an meinem ungarischen Blog arbeite. Pünktlich um 14 Uhr starten wir unsere Tour durch die Geisterstadt. Der Fahrer erzählt uns, dass seine Frau im Landwirtschaftsministerium arbeitet, und zeigt uns das Wohngebiet der Staatsangestellten. Das einfache Volk wohnt nämlich getrennt von den Politikern oder von den Militärchefs. Das ist ja wohl klar. Die ganze Stadt ist in solche komischen Zonen aufgegliedert und diese sind auch sehr weitläufig angelegt. Als erstes bringt er uns zu der berühmten zwanzigspurigen Straße neben dem Regierungskomplex. Man muss sich eine kleine Stadt in der Stadt vorstellen, umzäunt und bewacht von Soldaten. Unser Fahrer hält in der Mitte der riesigen Straße an, weit und breit keine Autos. Es ist gleichzeitig beeindruckend und ein großer Schwachsinn zugleich. Deswegen ist diese auch zu einer "Touristen"attraktion geworden. Wobei sich nach Naypyidaw kaum Touristen verirren. Wir würden gerne direkt vor dem Tor zum Parlament anhalten und paar Fotos machen, aber der Fahrer meint es wäre nicht erlaubt. Er fährt etwas langsamer, für uns aber noch immer zu schnell vorbei, um diese prunkvollen Häuser bestaunen zu können. Wovor hat er Angst? Er kann/will uns die Frage nicht beantworten. Auch auf die Frage, ob die Straße nur so groß gebaut wurde, damit im Notfall Flugzeuge hier landen können, gibt es keine Antwort. Ebenfalls die Frage, ob es ein unterirdisches Tunnelsystem gäbe, bleibt unbeantwortet. Aber er erzählt hocherfreut, dass der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un zu Besuch war und bei der Planung der Stadt geholfen habe. Anschließend bringt er uns zu einem Aussichtspunkt. Eigentlich zu der Terrasse eines Hotels. Wieder eine riesige Anlage ohne Gäste. 10 Angestellte bekommen in der Lobby des Hotels gerade eine Einweisung. Wir werden von allen freundlich begrüßt. Die Aussicht von der Terrasse des Hotels mitten im Dschungel ist nicht gerade atemberaubend. Ich mache ein paar Fotos, und Berit fühlt sich immer schlechter. Wir verlassen das Hotel. Der Fahrer erzählt uns, dass er mit seiner Familie ab und zu hierher zum Abendessen herkommt. Am Abend soll viel los sein. Ich kann es mir aber irgendwie nicht vorstellen. Berit ist beschäftigt mit ihren Taschentüchern, welche bald alle verbraucht sind. Zum Glück bekommt sie vom Fahrer einen kleinen Nachschub. Wir fahren auf 16, 12 oder 8-spurigen leeren Straßen, vorbei an riesigen Kreiseln mit Springbrunnen. Das Stadtbild ist eher langweilig, die Straßen könnte ich nicht voneinander unterscheiden. Dann kommen wir auf eine "kleine" vierspurige Straße, wo wir immer wieder hinter den Bäumen versteckt riesige Gebäude zu Gesicht bekommen. Dieses sind die verschiedene Ministerien. Der Fahrer amüsiert sich selber als er uns diese zeigt, da kein Mensch diese Ministerien aufsuchen würde. "Just Dschungel. No people. hahaha" Damals hatten sich einige Politiker geweigert, nach Naypyidaw zu kommen und vor allem an einem Ort zu arbeiten, der mitten im Dschungel liegt. Es war aber von der damaligen Diktatur wahrscheinlich so gewollt. Nach einer halbstündigen Fahrt stehen wir am Ufer eines künstlichen Sees. Auch nicht schön. Vor allem riesig. Wir können uns bei dieser Größe nicht vorstellen, dass dieser See künstlich angelegt wurde. Am Ufer sehen wir auch hier wieder eine riesige Hotelanlage. Nach 5 Minuten haben wir  genug davon. Zum Sonnenuntergang müssen wir pünktlich an der Uppatasanti Pagode sein. Die Pagoda steht auf einem Berg. Am Fuße des Berges sehen wir das erste Mal mehrere Menschen an einem Ort. Kleine Geschäfte und Straßenverkäufer geben uns dass Gefühl, dass wir doch nicht ganz alleine sind :) Obwohl Berit eine lange Hose anhat, bekommt sie einen typischen Wickelrock namens Longyi umgeschnürt. Mit der Fahrstuhl geht es in Begleitung eines Sicherheitsbeamten hoch auf die Ebene der Pagoda. Diese Pagode ist nur einige Zentimeter kleiner als das größte Heiligtum des Landes in der ehemaligen Hauptstadt Rangun. Die Uppatasanti Pagoda ist nur ein Nachbau der berühmten Shwedagon-Pagoda in Rangun. Diese wurde vor 2500 Jahren erbaut, die in Naypyidaw vor 7 Jahren. Auch hier gibt es einige Besucher, doch diese verlieren sich auf der riesigen Terrasse vor und in der Pagoda. Es ist sehr ruhig auf dem Gelände. Man hört nur das Spiel der Glöckchen im Wind von der Spitze der Pagoda und Berits niesen und dauerndes schniefen. Sie ist nicht gerade in der Stimmung, um den Sonnenuntergang zu bewundern. Sie erinnert mich immer wieder daran, dass ihre Taschentücher jetzt alle sind und als ob es nicht genug Leiden wäre, muss sie diesen doofen Longyi tragen. Alle lächeln und grinsen nämlich Berit an und wollen mit uns ein Bild machen. Ob es wegen des Longyis oder doch eher wegen unserer hellen Hautfarbe ist? Ich finde Berit steht der traditionelle myanmesische Rock sehr gut. Nachdem ich ein paar Bilder von ihr im Rock zeige, sehe ich eine leichte Begeisterung in ihren Augen. Es sieht gar nicht so schlecht aus. Vor allem mit der goldenen Dekoration der Pagoda im Hintergrund. Nachdem Sonnenuntergang geht es Berit jedoch noch immer nicht besser. Eher schlechter. Doch sie möchte durchhalten. Als letztes werden wir zum angeblich schönsten Springbrunnengarten der Stadt gefahren. Dort gibt es jeden Abend eine Lichtershow. Am Tor müssen wir Eintrittzahlen und wir hören laute Musik von dem Gelände. Es hört sich so an, als ob hier Menschenmassen vor einer Bühne feiern würden. Als wir zu dem Brunnen laufen wird klar, dass die Musik aus den zahllosen Lautsprechern kommt. Und uns erwartet eine überschaubare Anzahl von Besuchern und ein paar kleine Springrbrunnen mit LED Lichtern. Es mag sein, dass es für die Burmesen etwas Besonderes ist aber wir finden nichts Außergewöhnliches daran. Die Musik dröhnt auch viel zu laut in unseren Ohren und die Myanmesen schießen ununterbrochen Selfies vor diesem nichtssagenden Brunnen. Den Tag schließen wir mit sehr leckeren und teuren Spaghetti "Bucatini Amatriciana" im Hotelrestaurant ab. Es ist ungelogen das BESTE, was wir jemals gegessen haben.

Unser Bus nach Rangun startet erst morgen um 13:00 Uhr. Berit kann sich noch erholen und ich probiere vielleicht den Pool noch aus. Naypyidaw gehört vielleicht nicht zum Höhepunkt unserer Reise aber wir wollten mit eigenen Augen sehen, dass die Retortenstadt in der Leere wirklich existiert.

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