Bandipur: Dschungeltour

Wir sind jetzt schon den dritten Tag in Bandipur und beabsichtigen auch noch nicht weiter zu reisen. Da uns langsam das Bargeld ausgeht und es hier im Bergdorf keinen Bankautomaten gibt, beschlossen wir einen kleinen Ausflug in das Dorf Dumre zu machen. Dumre liegt direkt am "Highway" zwischen Kathmandu und Pokhara. Von Bandipur nach Dumre kommt man entweder mit einem Taxi, einem Bus oder man nimmt den Weg ins Tal durch den Dschungel. Wir entschieden uns für Letzteres, und wollten auf halber Strecke eine der größten Höhlen Nepals besichtigen. Den richtigen Weg zu finden, ist in Nepal manchmal nicht so einfach. Am Vortag haben wir glücklicherweise bei unserer Erkundungstour ein verwaistes Hinweisschild in Richtung Höhle gefunden. Das Schild bestand eigentlich nicht mehr aus einem Schild sondern nur noch aus einer Metallstange. Davon sollten wir heute noch mehr sehen. Zum Glück hatten wir unsere offline Karte (maps.me) mit dabei, die uns sicher durch den Dschungel navigierte. Der Weg führte über einen schmalen Sand - und Steinweg talabwärts. Der Dschungel zeigte sich von seiner schönsten Seite. Schmetterlinge in den buntesten Farben begleiteten uns auf dem Weg zur Höhle. Am Wegesrand sahen wir immer wieder taubedeckte ca. anderthalb Meter große Spinnennetze zwischen den Bäumen hängen, in deren Mitte sich jeweils eine überdimensional große Spinne befand. Sie schliefen friedlich, genauso friedlich wie sich der Dschungel uns zeigte. Bis zu dem Moment als wir plötzlich in der Ferne ein Rascheln im Unterholz hörten. Wir liefen unbekümmert weiter, doch immer wieder bewegten sich Äste, es knackte im Unterholz oder wir sahen aus dem Augenwinkel sich bewegende Schatten. Jetzt bekamen wir es doch ein bisschen mit der Angst zu tun, da wir anscheinend auch die einzigen Wanderer im Dschungel waren. Seit über einer Stunde sahen wir keine Menschenseele. Wer verfolgt uns auf dem Weg zu Höhle. Es fühlt sich an, als würden uns 100 Augen aus dem Dickicht anstarren und mit ihren Blicken verfolgen. Berit zitterten die Beine. Plötzlich sprang ein Affe vom Baum mitten auf den Weg. Er schaute uns an und wir schauten ihn mit großen Augen an. War dies der König des hiesigen Affenparadieses? Wir fühlten uns wie im Hexenkessel eingeschlossen. Wegrennen? Das wäre jetzt wahrscheinlich ein großer Fehler. Vor etwas wegzurennen ist immer schlecht. So blieben wir stehen und hielten die Luft an. Doch der Affe hatte anscheinend genug gesehen. Diese zwei Reisepacks stellten für ihn und seinen Klan wohl keine Bedrohung dar, auch wenn Tamas sich inzwischen mit zwei kleinen Steinen bewaffnet hatte. Der Affe drehte sich um und verschwand hinter dem nächsten Busch. Zum Glück ließen auch die anderen Affen von uns ab und wir setzten in großen Schritten unseren Weg zur Höhle fort. Kurz vor der Höhle fanden wir nochmals einen leeren Wegweiser. An einer Wasserstelle vor der Höhle sprangen Kinder und Jugendliche herum. Sie waren auf Klassenfahrt und hatten den Weg von Dumre talaufwärts zur Höhle genommen. Es beruhigte uns ein bisschen, dass wir die Höhle nicht ganz alleine erkunden müssten. Im Internet hatten wir zuvor einen Bericht von einer Frau gelesen, die die Höhle mehr als gruslig empfand und eine Besichtigung nur mit Bergsteigerschuhwerk empfahl. Bergsteigerschuhe besaßen wir zwar nicht annähernd, dafür hatten wir aber eine Stirnlampe dabei. Diese setzten wir auf und betraten ein großes schwarzes Loch. Vor uns ein Haufen großer und kleiner Steine. Wenn die Kinder nicht vor uns gegangen wären, hätten wir niemals den richtigen Weg gefunden. Eigentlich gab es keinen Weg und man kletterte von Stein zu Stein. Vor einer Steinwand zeigte uns nur ein herunterhängendes Seil den Weg nach oben. Wir waren platt. So sieht in Nepal also eine der größten Höhlen aus. Auf dem gesamten Weg durch die verwinkelten Gänge sollte es nicht eine Lampe oder auch nur Wegweiser geben. In Deutschland wäre eine solche Höhle wahrscheinlich wegen akuter Lebensgefahr sofort gesperrt worden. Nachdem wir den ersten Aufstieg gemeistert hatten, rutschten wir auf nassem Lehmboden und glitschigen Steinen weiter durch die Höhle. Die Höhle wurde immer größer und mächtiger. Über uns flogen Fledermäuse und wir sahen von der Höhlendecke hängende Kalksteinstalaktiten. Immer wieder mussten wir nur mit Hilfe eines Seiles über mächtige Steine bzw. Felsen hinauf- oder hinabsteigen. Vor einer Leiter, die fast senkrecht die Tiefe führte, staute es sich. Die Klasse befand sich auf dem Rückweg. Auch wir beschlossen wieder umzudrehen. So rutschten wir wie die Kinder teilweise auf allen Vieren oder nur noch am Seil hängend über die Steine durch die Höhle zurück Richtung Ausgang. Was war dies für ein lustiger Anblick. Die Schuhe (Turnschuhe, glitzernde Ballerinas oder  Badelatschen)  sowie die Hosen und Kleider der Kinder verfärbten sich so langsam in einen ockerfarbenen Farbton. Selbst der Lehrer der Kinder sah am Ende aus, als hätte er gerade auf einer Baustelle gearbeitet. Doch das tat der Stimmung keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil. Auf dem Weg ins Tal Richtung Dumre liefen wir zwischen einer Gruppe Jungen und Mädchen, welche abwechselnd anscheinend die neusten nepalesischen Popsongs in größter Lautstärke anstimmten. Wir konnten uns vor Lachen kaum noch halten. Auch so etwas wäre in Deutschland wahrscheinlich untersagt worden. Die Jungs fingen später an uns auszufragen, wieso, weshalb und wie lange wir noch in Nepal bleiben und was wir hier überhaupt machen. Sie luden uns in ihre Heimatstadt ein und boten uns an, mit ihnen am Nachmittag zusammen im Bus zu ihnen nach Hause fahren zu können. So langsam verlieben wir uns in die nepalesischen Kinder und Jugendlichen. In Dumre bekommen wir an einem der drei Automaten nepalesische Rupien und fahren mit dem "Localbus" zurück nach Bandipur. Das war fast noch aufregender als die Dschungel- oder Höhlentour. Mit lauter nepalesischer Musik ging es auf der einspurigen Straße bergauf Richtung Bandipur. Immer wieder kamen uns große Busse entgegen und neben uns tat sich der Abgrund auf. Die Busfahrer vollbrachten Millimeterarbeit. Wir freuten uns über jeden Meter, den wir unbeschadet vorwärts kamen. Die Nepalesen freuten sich mit uns. 
Am Abend heiterten Gespräche mit einem in der Gemeinde angestellten Architekten die Stimmung auf. Er erzählte uns, dass man in der Höhle am besten Barfuss läuft, da man sich so am sichersten fortbewegen kann. Also von wegen Bergsteigerschuhe. Wir Deutschen müssen es immer ein bisschen übertreiben. Sein Lieblingsgetränk war übrigens Rum mit Honig und heißem Wasser. Er redete auch schon wie ein Wasserfall. Erstaunlicherweise kannte er sich wirklich gut in der westlichen Welt aus. Wir sprachen über europäische Kunst, Kultur sowie amerikanische Literatur und Politik. "Imagine" von John Lennon war eines seiner und Berits Lieblingslieder. Auch wir träumten heute Nacht von einer Welt ohne Krieg, Hunger und Leid. 

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